Bin nun in Kirgisistan, im Städtchen Sary-Tash angekommen, da wo der Pamir in das Alai Gebirge übergeht. Es ist Zeit zwei Tage zu rasten und einen Rückblick, vor Allem an die letzten Tage seit dem Akbaital Pass (4640 M.) zu werfen.
Das Fahrradfahren (oder auch schieben) ging buchstäblich an meine Grenzen. Und zwar dermaßen, dass ich nun, hier im Kaffeehaus sitzend mich sogar anstrengen muss, meine Gedanken zu sammeln.
Die Route von Alichur nach Murghab war entspannt und dank abzubauenden Höhenmeter konnte ich, auch wenn viele Tageskilometer überhaupt nicht im Vordergrund stehen, endlich die 100er Marke knacken.
Der dreitägige Aufenthalt in Murghab war Entspannung pur, wie schon im vorigen Update beschrieben.
Nun starte ich um 8.00 Uhr morgens in Murghab, Richtung Norden, mit einer gewissen Spannung im Hinblick auf die kommenden Etappen. Zwischen Murghab und Sary-Tash sind es gerade mal 226 Km und es liegen 3 nennenswerte Pässe vor mir. Den Akbaital-Pass mit 4655 M., den Uy-Bulok-Pass mit 4232 M. und den Kyzil-Art an der Tadschikisch-Kirgisischen Grenze mit nochmals 4336 M. Wie fast in ganz Tadschikistan, sind die Straßen aus Schotter, Geröll, Asphaltreste und Sand. Eine der wenigen Ausnahmen bildet hier die M41 (noch alte Sowjetische Bezeichnung) zwischen Murghab und den Akbaital-Pass. Ganze 100 Km! machen das Fahren doch angenehmer und zügiger.
Nicht desto trotz, schaffe ich am ersten Tag um die 70 km mit einer leichten doch steten Steigung von 600 M. Ich stoße an die Gruppe von Harry und Diana, Gerry und Silvio und dem Alleinreisenden Vitali. Allesamt hatten mich zur Mittagszeit, mit ihren Fahrrädern überholt, doch die Ermüdung und Einbruch der Dämmerung traf uns allen an den gleichen Koordinaten. Sie stellten bereits Ihre Zelte auf, am Straßenrand, als ich mit letzter Kraft noch einmal in die Pedale tritt und zu diesem improvisieren Zeltlager mich gesellte. Kleiner Smalltalk und bald liegt schon jeder im seinem Zelt.
Tag Zwei:
Zelt ist trocken verpackt, Essen verstaut, „Think-Positiv-Modus“ Aktiv. Die Uhr zeigt 8 Uhr morgens und der Rückenwind noch nicht strak ausgeprägt. Gemeinsam brechen wir auf. Der Akbaitalpass steht vor uns. Bereits in den ersten 3 Km entfernt sich die Gruppe zusehends und nach 5 ist sie nicht mehr in Sicht. Ich kehre beim Strassenwart ein, und wie üblich, gibt es in seiner Wohnung ein frisch gebackenen Brot, warme Kuhmilch, ein Schwarztee, Butter und Ayram. Ich entrichte einen kleinen freiwilligen Obolus, diskret ich n die Hand des Gastgebers gedrückt, und sage mehrmals Rahmat, Dosvidanje, Tessekürler.
Ich muss mich stellen, und den Aufstieg bewältigen. Ich schiebe und zerre, hie und da wage ich einige Tritte in die Pedale. Beobachte die Wetterentwicklung um mich herum. Es ist äußerst abwechselnd, so wie es im Hochgebirge üblich ist. Am Pass angekommen gibt es kurzzeitig und vereinzelt einige Schneeflocken. Nichts könnte mich nun mehr aufhalten, den Pass hinab zum Karakul-See und die gleichnamige Ortschaft bequem zu erreichen. Wäre da nicht wiedermal die Schotter Route. Kilometerweiter Waschbrett-Schotter. Mehrmals muss ich trotz Abfahrt auf Null zurückbremsen, mich nach alternative Spuren umschauen oder sogar Parallelpfade befahren.
Letztlich, und nach erneuten 70 Km komme ich doch noch am Ziel, an Karakul, an. Die Abendsonne kann mich noch bescheiden aufwärmen und inmitten dieser tristen Ortschaft, mit vielen Homestays, stosse ich an das Sadat Homestay, wo, tatsächlich, Diana, Harry, Gerry und Silvio einquartiert sind. Also, erneut ein gemeinsames Abendessen. Mein Bett heute Abend ist wie üblich kein Bett sondern eine dünne Matte auf dem Boden, über Teppiche ausgelegt. Ich schlafe im Wohnraum unter den Blicken der Hausherren im nu ein.
Tag Drei:
Ich starte gelassen und um 10 Uhr verhältnismäßig spät zur angeblich letzten Etappe nach Kirgisistan. Ja, es liegen nur 110 Km zum Ziel und zwei Pässe, mit jeweils ca 350 Höhenmeter jeder. Allerdings ab Km 60 soll es ja über 1000 M bergab gehen. Starte Alleine, da die Anderen noch ein Tag rasten wollen, und da wir eh nie einen gemeinsamen Rhythmus gefunden haben, ändert es wenig ob man gemeinsam fährt oder nicht.
Ich fahre östlich des Karakul-Sees Richtung Norden. Blicke immer wieder zurück und verabschiede mich dieser Landschaft. Ja, ich muss ca 200 M zu Fuß bewältigen, hinauf zum Uy-Bulok-Pass, aber der Gedanke an den nächsten Downhill gibt mir Kraft.
Ich erreiche den höchsten Punkt und gleichzeitig beginne ich mich wärmere Kleider anzulegen. Der Wind wird zunehmend stärker. Es ist ein Gegenwind. Ich finde eine Erklärung. Talwind. Logisch. Es hilft jedoch kaum den Grund oder Ursprung zu kennen. Ich muss im dritten Gang mit viel Mühe den Berg hinab treten. Wieder mal Schotter, Waschbrett, Sand und Gestein. Staubwirbel entstehen vor mir, und ich schreite mit 6 Kmh voran. Der nächste Pass und die Grenze Tadschikistans rücken in ferne Zukunft.
Mir trennen zwar nur noch um die 20 Km aber unter diesen Umständen scheinen diese bei Tageslicht und mit eigener Kraft nicht mehr erreichbar. Ich schau mich um, um einen geeigneten Zeltplatz. Auf den Hügeln so windig dass ich zweifle ob mein Zelt das aushält. In einigen Senken eventuell geschützter, jedoch bei einem Gewitter leicht zu überfluten. Beobachte in jeder Senke ob das Ausgegrocknete Wasserwege sind oder nicht, ob da die Murmeltiere hausen oder nicht. Entscheide mich nach langem hin und her, doch für die Anhöhe, in der Gewissheit dass der Wind nach Sonnenuntergang aufhören müsste. Um. Mir eine warme Mahlzeit vorzubereiten fehlte mir die Kraft und ein Windschatten. Binnen kürzester Zeit und noch vor Einbruch der Nacht schlafe ich tief ein.
Tag Vier:
Nun, ja, egal wie der Wind heute weht oder wie viele Höhenmeter zu bewältigen sind, die Grenze ist in Sichtweite und nichts steht der Anreise im (für Europäer) Visafreien Kirgisistan im Weg. Ich nehme abschied von Tadschikistan. Auf den Tag genau vier Wochen seit meiner Landung in Dushanbe. Ein schönes Land, höfliche und meist offene Menschen, ob Tajiks, Wakhani oder Pamir. Ein sehr armes Land, mit dringendem Nachholbedarf an Infrastruktur u.A.
Ich wäre nicht ich, wenn ich ein politisches Statement hierzu nicht geben würde. Liebe Tadschiken, hängt Eure Rahmon Bilder ab, front nicht länger Euren Feudalherrscher. Dankt Ihm wohl für den Frieden den er zwanzig Jahren zuvor ermöglicht hat, aber schaut nun in die Zukunft. Bilder ernähren Euch nicht. Was Ihr braucht sind Straßen und Strom, eine zivile Ordnung und weniger Korruption. Das Potential ist stets vorhanden, es muss nur richtig verwaltet und vorgelebt werden. Euer omnipräsenten Präsident tut es nicht.
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